Das Anwesen Pötters auf der Bönninghardt

von Jürgen Wiegert

Das Anwesen Pötters Anfang der 1960er Jahre

An der B58, ca. 500m vom Autobahnanschluss Richtung Issum befand sich links bis zum Jahre 2009 das Restaurant Pötters. Dieses gepflegte Anwesen war eines der ältesten auf der Bönninghardt.

1780 kam der aus Löchsheim in der Region Mainz gebürtige Rudolph Wahl auf die Bönninghardt und bekam auf deren kurkölnichem Teil lt. Urkunde vom 1. Mai 1780 40 Morgen Land zugewiesen. Sein Land befand sich in Nähe einer zisternenartigen Wasserstelle, damals Wertsohl, heute Wassoll (=Wasserloch), genannt. Rudolph Wahl war 30 Jahre alt, verheiratet mit Elisabeth Kester und hatte im Jahre 1794 fünf Kinder.

Das Wasserloch „Wertsohl“ heute

Die Größe seiner Kolonie betrug 40 Morgen = 10,2 ha und lag damals westlich der Alten Weseler Straße. Im Lauf von 14 Jahren hatte er 25 Morgen zu Ackerland gemacht und fünf Morgen mit Holz bepflanzt. In dieser Zeit hatte er sich durch enormen Fleiß zwei Pferde, sechs Kühe und 50 Schafe anschaffen können. Er war neben wenigen anderen Kolonisten als ehrlich und zuverlässig angesehen. Aus diesen Anfängen der Kolonisation ist die Geschichte mit dem Schäfer überliefert,

Ausschnittt aus der Karte Nr. 2715 von 1782 im Landesarchiv NRW – Abt. Rheinland -.
Die mittlere der fünf Kolonien (A III) gehörte Wahl

 

die der letzte Eigentümer aus der Familie, Johann Pötters, so zu erzählen weiß, als wäre es erst gestern gewesen. Da gerieten einige Kolonisten mit einem Schäfer in Streit, der auf der Bönninghardt seine Schafe weidete. Es ging wohl um das Weiderecht oder auch um ein paar Schafe. Jedefalls erschlugen die Kolonisten den Schäfer und begruben ihn auf dem Anwesen des Rudolph Wahl und pflanzten darauf einen Mistelbaum. Das Grab ist heute noch erhalten und Frau Marianne Pötters ging hin und wieder dorthin und sprach ein kurzes Gebet.

Das Grab des Schäfers auf dem Anwesen Pötters

Von 1794 bis 1814 nahmen die Franzosen das linksrheinische Gebiet in Besitz. Während dieser Zeit wurde die heutige B 58 gebaut und nun lag die Kolonie Wahl östlich der Straße Geldern-Alpen-Wesel. Die alte Straße gibt es aber heute noch unter dem Namen „Alte Weseler Straße. Die Franzosen teilten während ihrer Herrschaft die Bönninhardt an die umliegenden Gemeinden auf und so kam die Kolonie Wahl zu Vierquartieren, heute im Kamp-Lintforter Ortsteil Saalhoff. Nach der Franzosenzeit wurde der Niederrhein preußisch und die Gemeinden übernahmen ihren Teil der Bönninghardt. Besonders die Gemeinde Alpen versuchte ihren Bönninghardter Anteil an die Bewohner zu verkaufen. So sollte Rudolph Wahl’s Sohn Jacob die Alp’sche Kuhweide, die westlich der heutigen B 58 und damit auf Alpener Gemeindegrund liegt, zurück kaufen, obwohl sein Vater ja das Land von der damaligen kurfürstlichen Amtsverwaltung bekommen hatte. Er konnte den Nachweis jedoch nur unvollständig beibringen. So blieb das Gelände im Besitz der Gemeinde Alpen. Auf Jacob Wahl folgte sein Sohn Christian, dessen Tochter Johanna (genannt Anna) den aus Ginderich stammenden Johann Pötters ca. 1871 heiratete.

Anna Wahl und Johann Pötters

Anna und Johann übernahmen den Hof und auch die mittlerweile dort etablierte Gaststätte „Zur Grünen Eiche“ mit Poststation. Wann beide eingerichtet wurden , ist nicht bekannt. Nach Fertigstellung der Bahnlinie Wesel-Geldern Ende 1874 dürfte die Postkutschenlinie wegen Unrentabilität eingestellt worden sein.
Überliefert ist heute noch, dass der Räuber Wilhelm Brinkhoff einmal dem Johann Pötters eine Flinte samt Munition stahl, schlimmer noch: er stahl Pötters‘ Pfeife.

So sah Marianne Pötters den Postkutschenüberfall mit Wilhelm Brinkhoff

Bis weit ins 20. Jahrhundert gab es hinter dem Anwesen eine Sand- und Kiesgrube, die neben Land- und Gastwirtschaft einen erträglichen Gewinn abwarf. Das Material wurde u.a. zur Ausbesserung der Chaussee benutzt. Als Johann Pötters ca. 1925 starb, übernahm sein Neffe Gerhard (* 1851) das Anwesen. Er war verheiratet mit Hendrina Mechthilde Evers. Doch er starb wenig später. Nachfolger wurde sein Sohn Gerhard (*1893). Er war verheiratet mit Maria Viktoria Kleinmanns (*1892).

Die Pötters-Familie 1905:
untere Reihe v.l.: ?, Johann Pötters (+ ca. 1925), Frau Ziegenhorn, Förster Rupp, ?, mit der Ziege: Gerhard Pötters.
mittlere Reihe v.l.: Liz Hölz, Mina Honnacker geb. Pötters, Anna Pötters geb. Wahl, ?, ?.
im Fester stehend: Geschwister Pötters (heute in Issum) v.l.: Mechthilde (später Frau Kühnen Alpen, Betti, ?.
Schenkwirtschaft Pötters 1909
Auch damals gab es schon Werbung
Pötters‘ Kutsche um 1920
Johann Pötters (+ ca. 1925)
ca.1928: Die Pötters Jungs mit einem seit Beginn des 20. Jahrhunderts
auf der Bönninghardt üblichen Ziegengespann v.l. Theo, Hubert, Hannes, Johannes (*1924)
Bild ca. 1900, v.l.:Gerhard Pötters, Peter Gühnen, Mechtilde Kühnen.jpg
Schützenfest Vierquartieren ca. 1930
Unten sitzend, v.l.: Frau van Rickelen, Frau Tersteegen, König Peter Tersteegen (der „schwatte Pitt“), Königin Viktoria Pötters, Hein Tersteegen, Frau Beier, geb. Tersteegen, Frau Mai.
Hintere Reihe stehend, v.l.: Adjutant Herr Verpoort, ?, Hans Tersteegen, Ludwig Pastern, Herr van Rickelen. Die übrigen Personen sind nicht bekannt.

Das Anwesen Pötters 1935
Gerhard Pötters (1893-1944)
Maria Viktoria Kleinmanns (1892-1980)

Mit Beginn des zweiten Weltkrieges stellte die Familie Pötters die Landwirtschaft ein. Auch die Kiesgrube gab es nicht mehr. Gerhard starb 1944 an den Folgen einer Kriegsverletzung, die er sich bei einem Bombenabwurf auf der Bönninghardt zugezogen hatte. Seine Frau führte die Gastwirtschaft weiter. Ehefrau Maria Viktoria starb 1980.

Ihr Sohn Johann (*1924) hatte nach dem Krieg nicht die nötigen Sachkenntnisse, um die Gaststätte weiter zu führen. Sie wurde ab dem Ende der 1950er Jahre an verschiedene Wirte verpachtet und ist ein bekanntes Speiserestaurant gewesen. Johann Pötters heiratete die aus Neumünster stammende Marianne Hüttmann (*1923), mit der er bis zum Schluss in einem rückwärtigen Anbau lebte. Sie haben zwei Söhne, Gerhard (*1945) und Johann Franz (*1950).

Johann Pötters erinnert sich noch gern an lang zurück liegende Zeiten – Zeiten, in denen der Pöttershof neben seinen Nachbarn Saueressig und Pauen mit 70 Morgen, ca. 7 Pferden und ca. 10 Kühen der drittgrößte Hof auf der Bönninghardt war. Als Junge durfte er im Ziegengespann zur Schule fahren und ein besonderes Erlebnis war die sonntägliche Kutschfahrt mit den Eltern nach Alpen zur Kirche. Er erlebte Dr. Rudolph Stampfuß als Gast im Hause Pötters, der als Prähistoriker von 1929-1931 die nahen Hügelgräber und auch das „Wassoll“ erforschte.

oben: Gaststätte 1950er Jahre, unten:Gaststätte um 1910 mit dem PKW des Weseler Fotografen Unverdross, Gemälde von Frau Marianne Pötters

Im zweiten Weltkrieg verband eine Lorenbahn den Flughafen mit einem Munitionslager in der Leucht. Die Bahn führte über die Reichsstraße Wesel-Geldern unmittelbar am Gehöft Pötters vorbei. Zur besseren Deckung wurden die Flugzeuge vom Flughafen in die Leucht gefahren. Hierzu wurden extra Straßen nördlich und südlich des Pöttershofes gebaut. Davon ist heute nichts mehr zu sehen. Zu sehen ist aber noch ein Trampelpfad, der von Pötters bis zum Gelände des Flughafens führt. Ihn benutzten dort stationierte Soldaten, um bei Pötters mal ein gutes Bier zu trinken.

Am 18. Februar 2010 wurde das Anwesen zwangsversteigert. Eine 230jährige Familientradition hat ihr Ende gefunden. Heute ist da kaum etwas, das noch an die „gute“ alte Zeit erinnert.

Johann Pötters im Jahre 2014 (* 1924)
Restaurant Pötters im Jahre 2008

Literatur:

Quellen: Dr. Dieter Koenen: 225 Jahre Pöttershof, unveröffentl. Manuskript
Jürgen Wiegert: Die kurkölnische Bönninghardt bis 1794
Familienchronik Pötters und Erinnerungen von Johann Pötters (*1924)