Der Räuber Wilhelm  Brinkhoff

von Jürgen Wiegert

Der Schinderhannes am Niederrhein

Portrait W. Brinkhoffs, in H. Jung: „Die Vogelfreien der Bönninghardt“, Ausgabe 1999

Im 18. Jahrhundert zogen große Räuberbanden umher. Auch am Niederrhein gab es solche Banden. Sie raubten, wurden von der Polizei verfolgt, und wurden als Kämpfer gegen Behördenwillkür und Bevormundung von der Bevölkerung insgeheim bewundert. Unterbrochen wurde dies nur in der französischen Besatzungszeit mit einem liberaleren Umgang mit Dieben und Gaunern. Danach gingen die deutschen Behörden wieder mit voller Härte gegen diesen Personenkreis vor. Hierzu gehörten aber auch Menschen wie Tagelöhner, Kleinhändler, Arbeitslose, die zu Gaunern und Betrügern wurden, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Deckblatt einer Anklageschrift gegen niederrheinische Räuber, in H. Friesen: „Räuberbanden“, S. 57

 

Ganz anders verlief das Räuberleben von Wilhelm Brinkhoff. Er verstand es, die Obrigkeit bloßzustellen und gehörte keiner Bande an. Wenn die Polizei ihm auf den Fersen war, konnte er sich auf der Bönninghardt gut verstecken.

Geburtsurkunde des Wilhelm Brinkhoff, Gemeindearchiv Alpen

Geboren am 15. März 1839 als Sohn des Alpener Tagelöhners Jakob Brinkhoff und seiner Frau Anna Catharina, besuchte er mit sechs Jahren die Elementarschule und war gegenüber seinen Klassenkameraden eine Führungsfigur. Mit fünfzehn Jahren begann er eine Tischlerlehre. Doch schon bald raubte er seinem Lehrherrn die Kasse und begann zwischen Rheinberg und Kleve sein Leben als Gauner und kleiner Dieb. Für die Behörden wurde er zu einem Schreckgespenst. Er bestahl die Reichen und teilte mit den Armen. Seine Zuflucht vor seinen Häschern war die Bönninghardt. Hier konnte er sich immer gut verstecken. Die dort lebenden Kolonisten gehörten damals zu den Außenseitern der Gesellschaft und hielten zu ihm, denn er teilte seine Beute mit ihnen und so war er einer von ihnen. Sie versteckten ihn gut vor seinen Verfolgern und pflegten ihn, wenn er auf der Flucht vor der Polizei verletzt wurde. Hier lernte er auch seine Liebschaft Griet Flötebier kennen. Fasste man ihn dennoch, waren das Zuchthaus in Essen-Werden oder der Turm der Schwanenburg in Kleve für ihn kein Hindernis auf dem Weg in die Freiheit.

Griet Flötebier pflegt W. Brinkhoff, in H. Jung: „Die Vogelfreien…“, Ausgabe 1981, S.190

Am 2. Januar 1858 wanderte er von Rotterdam nach Amerika aus, kam durch Pelzhandel dort zu Reichtum. Er heiratete die 17jährige Karoline Ernst, Tochter eines württenbergischen Schuhmachers und kehrte eineinhalb Jahre später mit seiner Frau zurück, lebte mit ihr in deren Heimat Baden-Württenberg das Leben eines wohlhabenden Edelmannes. Als das Geld aufgebraucht war, kehrte er an den Niederrhein zurück und begann seine Gaunereien aufs Neue. Schließlich schickte die Düsseldorfer Regierung eine Kompanie Soldaten aus Wesel, die ihn aufstöberten und nach Kleve brachten.

Plakat der Prozessverhandlung in Kleve, in H. Friesen: „Räuberbanden“, S.69

Während der Gerichtsverhandlung kam es, besonders von den anwesenden Damen, zu Sympathiebekundungen für Wilhelm Brinkhoff. Dennoch wurde er am 29. März 1860 zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt. Gemeinsam mit seinem Gefängniswärter gelang ihm erneut die Flucht aus der Schwanenburg und er blieb nun unauffindbar. So schenkte man den vielen Gerüchten Glauben, dass er sich erneut nach Amerika abgesetzt hat. Wegen seiner, wenn auch unbewussten sozialen Einstellung wurde er der „Schinderhannes am Niederrhein.“

Szene aus dem Gerichtssaal während Brinkhoff´s Prozess, in H. Jung: „Die Vogelfreien der Bönninghardt“, Ausgabe 1981, S.211

Noch einmal kehrte Brinkhoff an den Niederrhein zurück, diesmal verheiratet mit Caroline Ernst aus Baden-Württemberg. Doch er fand seine Bönninghardt nicht mehr so vor, wie sie einst gewesen war. Enttäuscht verließ er den Niederrhein und ging nun endgültig nach Amerika.

Wilhelm Brinkhoff mit seiner Partnerin Caroline Ernst (Quelle: Gregor Boese, Moers)

Brinkhoff wurde von den Bönninghardtern Siedlern als Wohltäter verehrt und seine Streiche wurden glorifiziert. Die Bevölkerung hat die Sache teils vergrößert, teils neue Dinge hinzugefügt, die nicht nachweisbar sind. Hermann Jung hat sich um 1920 von den alten Bönninghardtern viel berichten lassen und so entstand sein Buch „Die Vogelfreien der Bönninghardt“, das heute noch im Buchhandel erhältlich ist. In ihm werden die Schandtaten Brinkhoffs in amüsanter Weise dargestellt, die einem Wahrheitsgehalt nicht immer standhalten.

Literatur:
Friesen, Hartmut: Räuberbanden, 1994
Jung Hermann: Die Vogelfreien der Bönninghardt, Auflage 1981 Moers und 1999 Duisburg