Der Bandolahof

von Lülf, Katrin, geb. Baumgärtner

Bild 1    Der Bandolahof nach seiner Fertigstellung 1935

Der Bandolahof entstand auf der Fläche  zwischen der heutigen „Bönninghardter Str.“, der Straße „Am Flughafen“, dem „Flughafenweg“ und dem „Hoerstgener Weg“.

Da die Ernährungslage während des 1. Weltkrieges immer schwieriger wurde, setzte der Eigentümer dieser Flächen Kriegsgefangene zur Urbarmachung seines Ödlandes auf der Bönninghardt ein. Hierzu ist in der Chronik der katholischen Heideschule unter dem Jahr 1915 zu lesen: „… Viele hunderttausend Gefangene befinden sich jetzt schon in deutschen Gefangenenlagern. Besonders schwierig ist es, alle zu beschäftigen. Auch die Bönninghardt hat am 26. März die ersten gefangenen Franzosen gesehen. Etwa 100 Mann müssen die große Heide, rechts an der Straße nach Alpen, [ die heutige Bönninghardter Str.] mit Hacke und Spaten bearbeiten … Auf dem Exerzierplatz an der Alpener Landstraße waren von dem Ersatz Btl. der 56er kriegsmäßige Schützengräben mit Unterständen etc. gebaut worden, die ich mit beiden Klassen besichtigte. Seit dem 26. Juli 1915 sind im de Fries´schen Saale 60 Russen untergebracht, die Heideflächen auf der Bönninghardt urbar machen. Der Saal ist zu einer Gefangenenbaracke umgebaut worden …“ 

Bild 2     Das ursprüngliche Heidegelände des Bandolahofes vor seiner Ansiedlung. Kartenausschnitt der Kgl. Preuß. Landesaufnahme von 1892.

Im April 1917 pachtete die Witwe Katharina Baumgärtner von der Menzelener Heide die bis dahin kultivierten Flächen zur Bewirtschaftung. Die Witwe Katharina Baumgärtner besaß in der Menzelener Heide einen Bauernhof, den sie seit dem Tod ihres Mannes im Jahre 1900 mit ihren Söhnen bewirtschaftete. Von den hier noch lebenden Söhnen Anfang des 1. Weltkrieges im August 1914 fielen während des Krieges Johann (1886-1918) und Friedrich (1888-1917). Hermann (1892-1945) führte während des Krieges den elterlichen Hof weiter. Heinrich (1897-1964) musste auch Soldat werden, wurde schwer verwundet und im Januar 1919 aus dem preußischen Militärdienst entlassen. Ohne bisherige Berufsausbildung machte Heinrich eine landwirtschaftliche Ausbildung bei seinem Bruder Hermann. Er legte während dieser Zeit ein „Wirtschaftsbuch der Bönninghardt“ an, so dass anhand dessen die Anfänge des Bandolahofes gut nachvollzogen werden können.

Nach 1919 bauten Hermann und Heinrich Baumgärtner eine Pferdezucht in der Menzelener Heide und einen Bauernhof in der Bönninghardt auf. Dabei wurden die Anträge und Verträge in der Regel vom älteren Bruder Hermann unterschrieben. Während der Besatzungszeit der Belgier versuchten Hermann und Heinrich Baumgärtner ihre landwirtschaftliche Nutzfläche auszuweiten. Im Dezember 1919 pachtete Hermann weitere kultivierte Flächen auf der Bönninghardt zur landwirtschaftlichen Nutzung, die bereits von Kriegsgefangenen urbar gemacht worden waren. Es waren wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt insgesamt ca. 100 Morgen nun kultivierten Landes. Die Eigentümer besaßen noch weitere 23 Morgen noch nicht kultivierten Landes.

Die Gebrüder Hermann und Heinrich Baumgärtner versuchten jetzt in Absprache mit den Eigentümern selbst die noch verbliebenen Heideflächen, also die 23 Morgen während der Wintermonate (Dezember 1920 und Januar 1921) von Gestrüpp zu befreien und einzuebnen. Dafür wendeten sie 2410 Mark für die Arbeitskräfte auf. Erst im Mai/Juni 1921 erfolgte der Heideumbruch mit einem Motorpflug.

Bild 3     Abfolge der Feldarbeiten für eine Parzelle von 63 Morgen, die 1922 mit Roggen bestellt werden sollte

Exakte Aufzeichnungen über die Arbeit mit einem Motorpflug gibt es nicht. Frau Lülf schreibt hierzu: „… In den Aufzeichnungen meines Vaters in seinem „Wirtschaftsbuch der Bönninghardt“ steht mit den Daten 31.5.21 /  20.6.21 / 21.6.21 dass der Heideumbruch mit dem Motorpflug erfolgte. Der Einsatz dauerte jeweils 10 Stunden und er stellte jeweils zwei Leute bereit (siehe Bild 3). Aus den Erzählungen meines Cousins, der 20 Jahre lter war als ich war, die Zeit jedoch auch selbst nicht miterlebt hat, soll am Anfang und Ende des Feldes eine Lokomobile gestanden haben. Die Lokomobile hat dann mittels einer Seilwinde den Pflug über en Acker gezogen. Ich habe keine Fotos davon. Auf der Internetseite wikipedia.org/wiki/Dampfpflug steht, dass eigenständige Unternehmen oder Genossenschaften die Maschinen betrieben und das Pflügen durchführten. Ob dies so war, weiß ich nicht. In diesem Beitrag steht ein Text des Heimatdichters Hermann Löns über die Arbeit eines Dampfpfluges in der Heide. …“

Die bereits vorher kultivierten Flächen, also die bereits gepachteten 100 Morgen, wurden nach der Ernte mit einem Motorpflug nur geschält, d. h. nur ganz flach gepflügt. Alle Flächen wurden mit Pferden gewalzt und geeggt. Kalk, Kali- und Phosphordünger wurde vor der Aussaat des Roggens auf die Fläche gestreut. Die letzte Aussaat von Roggen erfolgte im Dezember 1921. Im Februar/März 1922 wurden die Felder mit Ammoniumdünger versorgt. Ende Juli/Anfang August 1922 wurde der Roggen gemäht.

1921 pachteten die Gebrüder Baumgärtner das angrenzende Grundstück von ca. 46 Morgen von Graf Berghe von Trips zu Haus Ossenberg. Die Gebrüder bewirtschafteten 1923 gut 170 Morgen Nutzfläche auf der Bönninghardt. Laut Auszug aus dem Kataster wurde der Kreis Moers 1923 Eigentümer des Gebietes.

Auf Grund der Turbulenzen auf derpolitischen und wirtschaftlichen Ebene in Deutschland wurde erst am 15. Februar 1924 der Pachtvertrag zwischen Hermann Baumgärtner und dem Kreis Moers über die Flächen auf der Bönninghardt unterzeichnet. Die wichtigsten Bestimmungen lauteten:

–   Der Kreis Moers verpachtet rund 127,5 Morgen an Hermann Baumgärtner

–   Die Pachtzeit dauert 9 Jahre: Beginn 1. November 1923

–   Der Pachtpreis pro Morgen beträgt den Gegenwert von einem Zentner Roggen.

Außerdem hat der Anpächter alle das Grundstück betr. Steuern und Ababen zu tragen.

–   Für die Urbarmachung von 23 Morgen entfällt der Pachtzins für diese Fläche für fünf Jahre.

–   Vorpachtrecht und Vorkaufsrecht besteht für 6 Morgen zur Errichtung eines Windmotors

mit Pumpenanlage und Gebäuden.

In dem Pachtvertrag mit dem Kreis Moers hatten die Gebrüder Baumgärtner vorsorglich die Genehmigung eines Windmotors mit Pumpenanlage und von Gebäuden in einem begrenzten Bereich der Fläche ausgehandelt. Ein Windmotor betätigte Pumpen jeglicher Art, um eine selbsttätige kostenlose Wasserversorgung von Wohnhäusern oder die Bewässerung von Wiesen und Feldern zu ermöglichen.

Bereits am 12. Juni 1924 – nur vier Monate nach Unterzeichnung des Pachtvertrages – stellte Hermann das Gesuch zum Bau eines Wohnhauses. Bei diesen und allen folgenden Bauvorhaben war Hubert Greive aus Alpen der Architekt.

In der Baubeschreibung steht: „… Das Wohnhaus wird massiv in Ziegelsteinen errichtet und mit Falzziegeln abgedeckt. Im Vorderhaus sind unten und oben Zimmer vorgesehen und werden die Holzbalkendecken mit Zwischendecken versehen. Das Vorderhaus wird durch einen Grundgiebel vom Hinterhaus getrennt und mit einer Eisentür abgeschlossen. Im Vorderhaus ist unter der linken Hälfte ein Keller vorgesehen. Gegen Erdfeuchtigkeit wird dasGebäude mit Isolierung versehen. …“ Bereits am 8. August 1924 erfolgte die Abnahme des Rohbaus. Am 11. September 1924 erhielt die Gemeinde die Mitteilung, dass der Bau fertig gestellt sei. Die Kreisbehörde in Moers stellte am 24. September noch Mängel am Neubau fest, die noch behoben wrden müssten, z. B.

– an der Innenseite der Aborttür ist eine Verschlussvorrichtung anzubringen.

– zur Abhaltung der Feuchtigkeit von dem ersten Stein starken Außenwänden empfliehlt sich die Anbringung von Dachrinnen mit Abfallrohren.

– Nach § 18 der Bau-Polizei-Verordnung müssen die Außenseiten des Gebäudes innerhalb 2 Jahren nach Fertigstellung des Rohbaus, also bis zum 7. August 1926, verputzt oder ausgefugt sein.

Am 9. Juli 1928 stellte stellte Hermann Baumgärtner das Gesuch auf dem Grundstück in Bönninghardt – Haus Nr. 90, Flur D, Nr. 1406/41 – eine Remise zu errichten. Eine Remise ist ein Schuppen zum Unterstellen von landwirtschaftlichen Geräten und Erzeugnissen. Schon am 29. November 1928 war der Schuppen fertig gestellt und in Gebrauch. Er war ganz mit Stroh gefüllt worden, so dass die Baubehörde die Kontrolle der Dachkonstruktion auf einen späteren Zeitpunkt verschieben musste. Diese „Remise“ wurde durch Veränderungen in eine Scheune verwandelt. In einem Gesuch vom 30. Oktober 1928 sollte die „Scheune“ um 10 m verlängert werden. Gleichzeitig sollte eine neue Remise angebaut werden.

Der Bau der Gebäude erfolgte auf gepachtetem Gelände, wofür die Gebrüder ein Vorkaufsrecht hatten. Um den Hofraum zu erwerben, ließen sie die Gebäude offiziell vermessen, sodass diese Bestandteil des Katasters wurden. Am 26. Juni 1931 stellte Heinrich Baumgärtner ein weiteres Gesuch, um ein Stallgebäude zu errichten. Das Wohnhaus sollte mit der Scheune verbunden werden, um so einen geschlossenen Hof zu schaffen. Er wollte später auch das Wohnhaus erweitern. Hierzu kam es allerdings nicht mehr.

Baupläne des Stallgebäudes, errichtet 1931

Hermann und Heinrich hatten den Hof auf der Bönninghardt in nicht einmal fünf Jahren aus dem Nichts erbaut. Sie gaben ihm den Namen Bandolahof, benannt nach der bekannt gewordenen Stute Bandola. Sie lebte neben vielen anderen Pferden auf dem elterlichen Hof in der Menzelener Heide, der als Hof Gestüt Franzissenhof geführt wurde. In den Jahren 1926, 1928 und 1929 das erfolgreichste Hindernispferd Deutschlands. Ihre Gewinnsumme bei den damaligen Hindernisrennen hat einen großen Beitrag zum Aufbau des Hofes auf der Bönninghardt geleistet. Die beiden Brüder wollten ihr mit der Namensgebung „Bandolahof“ ein Denkmal setzen. Der Name des Hofes wurde anschließend zum späteren Bestandteil der Kataster- und topografischer Karten. Eine Bürgerbus-Haltstelle trägt heute ihren Namen.

Wie erfolgte der Flächenerwerb am Bandolahof?

In einem Tauschvertrag zwischen dem Kreis Moers und Hermann und Heinrich Baumgärtner vom 22. August 1929 erhielten letztere 10,4565 ha. am Bandolahof vom Kreis Moers. Dieser bekam im Gegenzug 10,4575 ha. Davon lagen 7,6959 ha. auf der Bönninghardt und 2,7616 ha. in Saalhoff. Heute befindet sich auf diesen Flächen die Autobahn-Anschlussstelle Alpen. Hermann ließ das Grundstück am Bandolahof gleich auf den Namen seines Bruders Heinrich eintragen.

Feldbuch des Grundstückserwerbs vom 4. Juni 1932

Am 4. Juni 1932 kaufte Heinrich ein angrenzendes Grundstück von 3,8043 ha. von Luitpold Berghe von Trips in Ossenberg. Der Bandolahof hatte Ende 1932 eine Größe von 14,2608 ha. Der Rest war gepachtetes Land.

Nachdem die Brüder seit 1919 gemeinsam den Bauernhof mit Rennstall auf der Menzelener Heide und den Bauernhof auf der Bönninghardt betrieben hatten, trennten sie zum 1. Januar 1932 ihre Arbeitsbereiche. Hermann erhielt erhielt den Bauernhof mit Rennstall auf der Menzelener Heide und Heinrich erhielt den Bauernhof auf der Bönninghardt.

Heinrich Baumgärtner

Am 30. Januar 1933 kamen die Nationalsozialisten an die Macht. Im Sommer 1933 wurde der „Reichsnährstand“ als allumfassende landwirtschaftliche Organisation geschaffen. In den Gemeinden wurden dafür Ortsbauernschaften ins Leben gerufen. Für das Kreisgebiet war die Kreisbauernschaft zuständig.

Briefkopf der Kreisbauernschaft